Eines der Wettbüros gegenüber hat kürzlich zugemacht. Am unteren Ende der Wrangelstraße passiert so wenig, dass selbst so ein nichtiger Anlass für Aufregung in der Nachbarschaft führt. Denn es gibt ja eigentlich genug Wettbüros am unteren Ende der Wrangelstraße. Aber ich bin mir auch gar nicht so sicher mit der Aufregung in der Nachbarschaft, denn ich kenne eigentlich gar niemanden aus meiner Nachbarschaft. Also persönlich. Ich kenne natürlich einzelne Figuren aus der Ferne wie meinen Alkinachbar, der den ganzen Tag die größten Rockhits aller Zeiten hört, wie beispielsweise „Jump“ von Van Halen. Ich hasse „Jump“ von Van Halen, wie jeder Mensch „Jump“ von Van Halen hasst. Ich habe aber das Glück, neben dem einzigen Menschen in ganz Berlin zu wohnen, der „Jump“ von Van Halen nicht nur nicht hasst, sondern sogar anscheinend ziemlich bewegend findet. Im Moment hört er gerade „Rock Around The Clock“ und ich überlege, ob er mir jetzt schon geheime Botschaften übermitteln will mit seiner Musikauswahl.
In der nun entkernten Ladenwohnung, wo früher das Wettbüro war, zog wider erwarten kein neues Wettbüro ein, sondern Künstler. Die Künstler stellten einen Tisch in die entkernte Ladenwohnung, hängten eine bunte Tapete auf und ein paar Kleider. Denn es waren Textilkünstler. Sonst ließen sie einfach alles so kaputt und dreckig, wie es die Vormieter hinterlassen haben. Künstler in Berlin haben es gern kaputt und dreckig, erst dann fühlen sie sich wohl und können kreativ werden oder betrunken, was sich meist vom Zustand her nicht groß unterscheidet.
Jetzt hört der Alki Bruce Springsteen. Glory Days.
Ich hämmere gegen die Wand.
Lauter: Glory Days.
Ich hämmere noch mal gegen die Wand.
Mein Nachbar hämmert auch gegen die Wand.
Dann ganz laut: Simon und Garfunkel: „Sound of Silence“.
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Arschloch.