Der so genannte Hipster ist dieser Tage – und eigentlich auch schon länger – verstärkt im Gespräch. Kürzlich befasste sich der Kulturteil der Süddeutschen Zeitung mit dem Neuköllner Hipster. Eigentlich braucht man es gar nicht mehr sagen: Natürlich war der Artikel auf fast schon peinliche Weise schlecht. Die Hipster hassen sich selbst, so der Tenor des Textes, denn sie mögen keine Sauftouristen, die natürlich in Neukölln gerade auch Hipster sind. Der Autor (aus München...?) war wahrscheinlich für die Recherche des Artikels zum ersten Mal in Neukölln.
Naja, nun ist ein semiwissenschaftlicher Band, der sich mit der Subkultur-Gattung des Hipster beschäftigt, erschienen. Vor allem Autoren aus dem Umfeld des New Yorker Magazins n+1 schreiben darin über den Hipster, der ihrer Meinung nach gerade vom Aussterben bedroht ist oder gar schon ganz verschwunden: Der Originaltitel lautet dann auch: Who was the hipster?
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Der Hipster fotografiert natürlich nur mit Instagram... |
Die deutsche Ausgabe wurde um drei Beiträge erweitert, die sich mit dem bundesrepublikanischen Ausprägungen des Hipstertums – natürlich vor allem in Berlin – auseinandersetzen. Ein eigentlich löbliches Unterfangen, da die amerikanischen Hipster-Zuschreibungen doch sehr national oder sogar New-York-spezifisch gehalten sind. Leider sind die deutschen Beiträge nicht gerade ein Hoch der essayistischen Kunst, sondern eher langweiliges und feuilletonistisches Widerkäuen von allzu bekanten Stereotypen, einzig der Text von Thomas Meinecke und Eckhard Schumacher ist streckenweise interessant. Zumindest hinterfragt Jens-Christian Rabe in seinem Beitrag den Hass, den Hipstern auch in diesem Buch wieder so unreflektiert entgegenschlägt.
Die amerikanischen Autoren ergehen sich ebenso in den üblichen Vorurteilen: Hipster sind die Stoßtruppen der Gentrifizierung, machen grundsätzlich keine Kunst, sondern konsumierten nur ununterbrochen, leben vom Geld der Eltern, tragen schlecht sitzende Röhrenjeans (warum schreibt eigentlich nie jemand von den 99 Prozent der Bevölkerung, die außerordentlich schlechtsitzende Jeans in den furchtbarsten Schnitten tragen?) und sind eigentlich vollkommene Mittelstands-Idioten. Naja, die Vice war wahrscheinlich wirklich schon immer ein scheiß Magazin – sexistisch und in den USA womöglich auch rassistisch. Und American Apparel ist natürlich auch kein Musterunternehmen (immerhin produziert es Fair Trade, ganz im Gegensatz zu H&M oder auch Weekday), aber dieser Aspekt des Hipstertums, ein durchaus aufklärerischer, unironischer und gesellschaftskritischer, der sich etwa auch darin niederschlägt, dass weite Teile der Hipster in Kreuzberg natürlich Linke und Grüne wählen oder jetzt die Piratenpartei (in Amerika natürlich Obama), Bio gut finden, alte Plattenspieler auf dem Flohmarkt kaufen statt Flachbildschirme bei Media Markt, Club Mate trinken statt Red Bull und auch unter den Occupy-Demonstranten zu finden sind. Und natürlich eher wenig Geld haben, aber sich deswegen nicht den Spaß verderben lassen wollen. Alles Klischees natürlich und Abgrenzung durch Konsum – Pop-Linke könnte man sie abwertend nennen. Aber ist das wirklich der Feind? Warum regt sich eigentlich nie jemand über wirklich gespenstischen Entwicklungen auf, z.B. dass die einzigen, die noch FDP wählen, bzw. einen beträchtlichen Teil der Führungselite der Partei stellen, unter vierzig sind (und schlecht sitzende Anzüge und ekelhafte randlose Brillen tragen). Oder diese ganzen Missionars-Freaks, die überall Jesus-loves-you-Poster aufhängen.
Meinecke erzählt im Buch, warum das so ist: Der Hipster ist ein Schnösel, muss ein Schnösel sein. Er weiß besser als der Normalbürger – oder zumindest früher – was angesagt ist, musiktechnisch, klamottentechnisch – und ja: grenzt sich damit von den anderen ab. Aber nicht aggressiv. Jedenfalls lange nicht so penetrant aggressiv wie vermeintliche Nicht-Hipster sich von Hipster abgrenzen wollen.
Trotzdem ist das Buch durchaus lesenswert. Das liegt daran, dass sich die meisten Autoren klar darüber sind, dass sie nur ihre Vorurteile gegenseitig bestätigen wollen – und sich in meist unterhaltsamen, biographisch gefärbten Essays mit den Hipstern auseinandersetzen. Und das zum Glück auch selbstironisch. Denn – das ist überdeutlich – die meisten von ihnen sind selbst Hipster. Sonst würden sie sich gar nicht mit Hipstern beschäftigen, sondern Seminare zu den ästhetischen Schriften Schillers geben. Kaum eine Publikation in den USA wird mehr als Hipster-Magazin wahrgenommen als n+1. Außerdem werden immer wieder lustige Thesen vertreten: Kafka als Hipster zum Beispiel oder digitale Selbstfotographie als Ausgangspunkt des weiblichen Hipsters.